Navigation

Im Fokus

Die Menschen hinter
den IV-Abklärungen


Bei der IV arbeiten Menschen für Menschen. Hinter jedem IV-Dossier steht für uns ein Mensch mit seiner Geschichte. Beim Prüfen der Leistungsansprüche wollen wir dem gerecht werden. Eine gute Gelegenheit, sich gegenseitig kennen zu lernen, bieten die Gespräche bei den Versicherten vor Ort. Unsere Abklärungsfachpersonen geben dabei der IV ein Gesicht.


Beitrag von Martina Tschan, 22. Juli 2021

Eine davon ist Andrea Kräuchi. Sie arbeitet als Teamleiterin Bereich Abklärungen bei der IV-Stelle Kanton Bern. Sie führt ihren Job mit viel Empathie und Engagement aus. Sie betont, dass sie bei ihrer Arbeit den Anspruch hat, jeder versicherten Person als Individuum gerecht zu werden. «Das hat aber nichts mit einem Helfersyndrom zu tun, das wäre die falsche Voraussetzung um meine Arbeit professionell zu erledigen», meint sie. Aufgrund der zum Teil umfassenden Abklärungen auf Leistungsanspruch erfahren unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel über die medizinische, persönliche und finanzielle Situation der versicherten Personen. «Als Privatperson möchte man oft gerne helfen. Doch das ist nicht unsere Aufgabe. Wir haben einen gesetzlichen und politischen Auftrag umzusetzen», betont Andrea Kräuchi. «Es ist klar, dass wir dabei persönlich immer in einem Spannungsfeld zwischen 'sich auf jemanden einlassen' und 'sich abgrenzen' stehen. Mit der Zeit entwickelt man aber ein sicheres 'Gspüri' für Fairness und Objektivität.» So soll es auch sein. Denn soziale Gerechtigkeit – sowohl anderen Versicherten wie auch der Gesellschaft gegenüber – ist das oberste Gebot der IV.

Nicht das Dossier, sondern der Mensch dahinter steht im Zentrum.

Abklärungsarbeit beinhaltet vor allem eine intensive Dossiervorbereitung.

Die Abklärungsfachpersonen der IV bereiten sich intensiv auf das persönliche Gespräch vor. Dazu fassen sie sämtliche notwendigen Unterlagen bezüglich des Gesundheitszustandes, der Erwerbskarriere und der persönlichen Situation des oder der Versicherten aus den vorhandenen Unterlagen im Dossier zusammen. Die Informationen dazu hat die fallführende Versicherungsfachperson vorgängig eingeholt. Abklärungen vor Ort sind dann notwendig, wenn jemand teilweise oder ganz im Haushalt arbeitet, selbstständig ist oder einen Landwirtschaftsbetrieb führt. Nur im persönlichen Gespräch können wir feststellen, ob und wie viel die versicherte Person diese Tätigkeiten aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausführen kann. Es kann sein, dass jemand in einer beruflichen Tätigkeit, die er oder sie in einem 50%-Teilpensum ausübte, zu 100 Prozent arbeitsunfähig ist. Die anderen 50 Prozent hat er oder sie den Haushalt geführt. In einem Abklärungsgespräch vor Ort prüfen wir, ob die Person die Haushaltstätigkeiten trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausführen kann. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Bestandteil für die Berechnung des Invaliditätsgrades. Zudem führen wir telefonische Abklärungen durch, wenn es um einen Anspruch auf Hilflosenentschädigung oder den Assistenzbeitrag geht. Auch bei diesen Leistungen ist es wichtig, dass wir die konkrete Lebenssituation im persönlichen Gespräch erfassen können.

Die Tätigkeit als Abklärungsfachperson ist kein trockener Bürojob. Neben den Gesprächen mit den versicherten Personen vor Ort ist der Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr wichtig, z.B. mit Ärztinnen und Ärzten des Reginalen Ärztlichen Dienstes (RAD) oder Juristinnen und Juristen. «Das ist das Interessante an meiner Arbeit. Sie ist sehr abwechslungsreich und ich komme mit sehr vielen verschiedenen Menschen in Kontakt – intern wie extern», bringt Andrea Kräuchi die Essenz ihres Jobs auf den Punkt. Besonders schätzt sie die persönlichen Abklärungsgespräche mit den Versicherten: «Das ist immer sehr spannend. Bei meinen Besuchen weiss ich meist im Voraus nicht, was mich vor Ort erwartet und was dabei herauskommt.» In 80 bis 90 Prozent der Abklärungen bleibt es bei einem einmaligen Kontakt, bei Kindern und Jugendlichen geht sie in der Regel alle ein bis zwei Jahre einmal vorbei, um allfällige Veränderungen des Gesundheitszustandes und der Bedürfnisse zu besprechen und zu beurteilen.

Für die Betroffenen löst ein Abklärungsgespräch mit der IV im Vorfeld manchmal Unbehagen aus. Sie können sich nicht recht vorstellen, was sie erwartet und sind dann positiv überrascht, dass Mitarbeitende der IV freundliche Menschen sind. «Das Eis ist meist schnell gebrochen. Wir hören zuerst einmal zu und machen uns dann unvoreingenommen ein Bild der Situation. Das schafft Vertrauen», meint Andrea Kräuchi. Und fügt an: «Die Versicherten sind generell besser informiert als noch vor einigen Jahren. Das macht es einfacher, denn so können sie besser nachvollziehen, welche Leistungen ihnen unsererseits zustehen und für welche die IV nicht zuständig ist.»

Eigene Erfahrung hilft

Als langjährige Mitarbeiterin der IV kennt Andrea Kräuchi nicht nur die Seite des Leistungserbringers. Als Privatperson kennt sie auch die andere. Vor drei Jahren traf sie selbst ein schwerer Schicksalsschlag: Ihre 1-jährige Tochter verstarb aufgrund einer angeborenen Hirnfehlbildung. Andrea Kräuchi war in dieser Ausnahmesituation als Betroffene sehr dankbar für die Unterstützung der IV. «Die eigene Erfahrung hilft, dich in die Situation und die Gefühlswelt unserer Versicherten hineinzuversetzen. Gerade wenn es um das Leid von Kindern geht, geht mir das nahe. Da ist man selbst auch einfach 'Mensch' und wird vom Gegenüber so wahrgenommen», reflektiert sie die Auswirkungen ihrer ganz persönlichen Geschichte auf ihre Arbeit.

Sie schätzt die IV aber nicht nur als Sozialversicherung, sondern auch als Arbeitgeberin: «Ich bin dankbar, dass mein Team in den schwierigen Zeiten für mich da war, mein Vorgesetzter mich stets unterstützte und ich auch in einer Führungsposition flexibel und in einem Teilzeitpensum arbeiten konnte und nach wie vor kann. Auch als Unternehmen hat sich die IV in all den Jahren nach innen und aussen ständig weiterentwickelt und professionalisiert und stellt sich den Veränderungen und Anforderungen der Zukunft.»

«Die Abklärungen vor Ort helfen, uns ein ganzheitliches Bild der persönlichen Situation der Versicherten zu machen. Der Spagat zwischen menschlicher Nähe zulassen und nötiger Distanz wahren, sind dabei immer ein zentrales Thema.»

Andrea Kräuchi | Teamleiterin Bereich Abklärungen, IV-Stelle Kanton Bern